2011-07-05

Die Heyſeſche bzw. Raumerſche S-Schreibung

Hier ein Auszug aus: „Regeln und Wörterverzeichnis für die deutſche Orthographie.“ (Auf Grundlage der von R. v. Raumer verfaßten Vorlage.) In: Dieter Nerius (Hrsg.) (2002): „Die orthographiſchen Konferenzen von 1876 und 1901.“ Hildesheim, Zürich und New York: Georg Olms, S. 138 – 140. (= Documenta Orthographica 5).

Dieſe Regeln ſtellen das Reſultat der ſog. I. Orthographischen Konferenz dar. Die Teilnehmenden waren – ganz ähnlich wie ſpäter 1996, Leute aus der Sprachwiſſenſchaft. Die beſchloſſenen Regeln ſtießen – ganz ähnlich wie 1996 – auf ſcharfen Widerſtand. So muſste etwa auf direkten Befehl Bismarcks in der preußiſchen Adminiſtration die alte Rechtſchreibung beibehalten werden. Erſt mit der Reform der Reform von 1902, einem Reſultat der 2. Orthographischen Konferenz von 1901, ſetzte ſich die Rechtſchreibreform endlich durch – immer noch gegen den Widerſtand der Ewiggeſtrigen, beiſpielsweiſe des Kaiſers.

§ 24. Die S-laute.

Wir haben zwei S-laute, einen weichen, z. B. in ſalben, und einen harten, z. B. in gießen.

Der weiche S-laut wird bezeichnet durch ſ z. B. hauſen, Linſe, Binſe.

Der harte S-laut wird bezeichnet durch ß oder ſſ, wenn er einfacher Auslaut einer Stammſilbe iſt und vor vokaliſch anlautender Nachſilbe hart bleibt, und zwar

durch ß nach langem Vokal, z. B. Fuß, Füße, reißt, reißen;

durch ſſ nach kurzem Vokal, z. B. haſſen, haſſeſt. Am Ende der Wörter und in Zuſammenſetzungen ſo wie auch im Inlaut vor Konſonanten tritt dafür das Zeichen ſs ein, z. B. Guſs, Fluſsufer, er haſst.

§ 25. Sonſt wird der harte S-laut durch ſ oder s bezeichnet und zwar

durch ſ in den Verbindungen ſp und ſt ſo wie im Inlaut vor und nach Konſonanten; z. B. faſt, Liſt, lieſt, ſechſte, Knoſpe, liſpeln, Ochſen, Krebſe, Lotſe;

durch s in allen andern Fällen, nämlich:

a) im Auslaut ſolcher Stammſilben, welche vor vokaliſcher Nachſilbe den weichen S-laut haben, z. B. Haus, Häuschen, Haustür;

b) im Auslaut ſolcher Wörter, welche vor vokaliſch anlautender Silbe nicht vorkommen wie als, bis, was, es;

c) im Auslaut aller Endungen, z. B. Finſternis, des Kindes;

d) als Zeichen der Zuſammenſetzung z. B. Ordnungsliebe, Freiheitskrieg, Paſſionsblume.

Anm. 1. Der Regel gemäß ſchreibt man miſſe oder miſs als Stammſilbe, nis als Ableitungsſilbe, z. B. Miſſetat, miſshandeln, Wagnis.

Ferner: Mauſe, mauſern, Schleuſe, Schneiſe, Verlies (Verlieſes), Mus (Gemüſe), naſeweis, weismachen; dies, diesſeits, dasſelbe, Dienstag, Donnerstag; bloß (entblößt und nur), Geiß (die Geißen), Grieß, Kloß (die Klöße).

Beſonders zu merken ſind: Reis (in beiden Bedeutungen), Ries (Papier), Vlies, weisſagen, Mesner; erboßen (und erboſen), boshaft; geißeln, Geißel, Geiſel (Leibbürge); gleißen (glänzen), Gleisner, gleisneriſche; Nieswurz (nieſen), Nießbrauch (genießen).

Anm. 2. Man ſchreibt des, wes, deshalb, weshalb, indes, unterdes trotz deſſen, weſſen, aus trotz außer. Zum Unterſchiede vom Pronomen das wird die Konjunktion daſs geſchrieben.

Anm. 3. Anlautendes ſch vor p und t wird durch ſ bezeichnet; z. B. ſpielen, ſtehen.

Anm. 4. Beim Zuſammenſetzen von ſtammhaftem ſ, ſſ, ß mit dem ſt der Flexion ſchreibt man ſt, ſst, ßt, z. B. du laſt = laſeſt, du läſst = läſſeſt, du reißt = reißeſt.

§ 26. Beim Gebrauch lateiniſcher Buchſtaben wird der weiche S-laut durch ſ oder s bezeichnet, z. B. ſauſen, ſalben oder sausen, salben; der harte S-laut dagegen

1) durch ſs und ss, wenn er ein einfacher Auslaut einer Stammſilbe iſt und vor vokaliſch anlautender Nachſilbe hart bleibt, und zwar durch ſs nach langem Vokal, z. B. Fuſs, Füſse, reiſst, reiſsen, durch ss nach kurzem Vokal, z. B. Fluss, Flüsse, Hass, hässlich, hassen, hasste.

2) Durch s in allen andern Fällen, z. B. fast, List, liest, sechste, Knospe, lispeln, Ochsen, Krebse, Lotse, Haus, Häuschen, als, bis, wes, es, Finsternis, Kindes, Ordnungsliebe.

Anm. Anlautendes sch vor p und t wird mit ſ oder s bezeichnet, z. [ſic] ſpielen, spielen, ſtehen, stehen.

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